Kategorie: Karrierestart

Sparen Pausen bei der Arbeit uns Zeit?

„Die Gedanken schweifen zu lassen macht uns leistungsfähiger“ In Kampagnen zur Sicherheit im Straßenverkehr lesen wir immer wieder, wie wichtig es ist, mindestens alle zwei Stunden eine Pause zu machen. Und das gilt nicht nur auf der Autobahn: Caroline Cuny, Professorin an der GEM (Grenoble Ecole de Management) und Doktorin der kognitiven Psychologie, erzählt uns, warum Pausen auch am Arbeitsplatz eine absolute Notwendigkeit sind. Allerdings gilt es, zwischen „guten“ und „schlechten“ Pausen zu unterscheiden. In unserem Interview erzählt Caroline Cuny, worauf es dabei ankommt.

23. Juni 2025 · 1 min Lesezeit

Natacha Picajkic

JT: Pausen gelten oft als verlorene Zeit und als wenig produktiv. Sollten wir sie aus unserem Arbeitstag verbannen?

CC: Dieses Gespräch kommt leider immer wieder auf. Pausen werden als verlorene Arbeitszeit und damit als verschwendetes Geld für Arbeitgeber:innen dargestellt. Dahinter stecken jedoch völlig falsche Annahmen: Ohne Pausen sind wir nach kurzer Zeit körperlich und geistig erschöpft und riskieren Stress ebenso wie Muskel- und Skelettbeschwerden, vom Burnout gar nicht erst zu reden. Diese gesundheitlichen Probleme kosten uns und das Unternehmen deutlich mehr Zeit und Geld als Pausen. Aber Pausen sind nicht nur eine Pflicht, die unser Körper und Gehirn uns auferlegen: Wenn wir unsere Gedanken schweifen lassen, steigert das auch unsere Leistungsfähigkeit.

Ein besseres Gedächtnis und mehr Kreativität

JT: Woran liegt das?

CC: In Momenten, in denen wir unsere Gedanken frei umherwandern lassen, haben wir zwar das Gefühl, nichts zu tun, aber für unser Gehirn ist das Gegenteil der Fall! Das Gehirn „schaltet auf Autopilot“ und ist dabei voll aktiv. In dieser Zeit kann es sich regenerieren, sowohl kognitiv als auch physiologisch: Die Gliazellen rund um die Neuronen versorgen und ernähren diese und reinigen abgestorbene Gehirnzellen. Während dieser Prozesse führt das Gehirn die Informationen zusammen, die es erhalten hat, sortiert sie, assoziiert sie mit anderen, zuvor gespeicherten Informationen und integriert sie so besser. Das Gehirn schafft also Ordnung.

Mehrere Studien, darunter eine mit anderen Forscher:innen des Lehrstuhls „Talents de la transformation digitale“ an der GEM, belegen es: Pausen wirken sich positiv auf das Erinnerungsvermögen aus. Studienteilnehmende, die zwischendurch die Gedanken schweifen ließen, waren bei langen und anstrengenden Aufgaben erfolgreicher als diejenigen, die keine Pause machten oder in ihren Pausen einer anderen Tätigkeit nachgingen. Pausen sind ein guter Zeitpunkt für divergentes Denken, bei dem sich offen, unsystematisch und experimentierfreudig mit einer Frage beschäftigt wird und das eine kreative Phase einleiten kann.

Die Gedanken umherwandern zu lassen dient außerdem der emotionalen Regulierung. Das Gehirn nutzt diese Zeit, um die aufgetretenen Emotionen zu verarbeiten, ob stark oder schwach, positiv oder negativ. Aber aufgepasst: Es geht dabei nicht darum, bewusst von den Emotionen Abstand zu nehmen oder das Für und Wider abzuwägen. Du lässt dein Gehirn einfach dorthin gehen, wo es gerade gerne hin möchte, und es wird sich ganz ohne dein Zutun regulieren.

Zahlreiche positive Auswirkungen

JT: Pausen bringen also eine Menge Vorteile mit sich ...

CC: Und es gibt noch mehr! Auch wenn es nur wenige Momente der Entspannung sind, bieten Pausen uns eine Zeit, in der wir unseren inneren Akku wieder aufladen können – und damit auch unsere Konzentrationsfähigkeit wiederherstellen. Doch Pausen helfen nicht nur, unsere mentale Belastung zu reduzieren und unsere Emotionen zu regulieren, sondern auch, auf den Rest des Arbeitstages besser vorbereitet und damit leistungsfähiger zu sein. Wenn ich eine Aufgabe erledigt habe, kann ich mich damit belohnen, eine Weile einfach nur aus dem Fenster zu schauen und an nichts zu denken. So kann ich einen Moment lang die anstehenden Deadlines und die bis zum Abend zu erledigenden Dinge vergessen. Wenn ich schließlich weiterarbeite, ist mein Geisteszustand ein ganz anderer.

Andere Autor:innen im Bereich der Neurowissenschaften werfen zudem die Frage auf, ob diese Phase des Umherschweifens nicht manchmal daher kommt, dass das Gehirn sich selbst stimulieren will. Ein Meeting langweilt mich? Mein Gehirn macht sich aus dem Staub, denkt an etwas anderes und sucht nach neuen Sichtweisen, damit es das Interesse zurückgewinnt. Eine schlaue Sache!

JT: Für mehr Leistungsfähigkeit bei der Arbeit gilt also: „Es lebe die Pause“?

CC: Ja, solange wir nicht mit der Arbeit aufhören, aber stattdessen mit etwas anderem anfangen. Nicht jede Pause ist gleich wertvoll: Wenn wir sofort zum Smartphone greifen und wie wild durch Apps scrollen oder Mails lesen oder uns an der Kaffeemaschine mit Kolleg:innen unterhalten, können unsere Gedanken nicht umherwandern. Diese Tätigkeiten bringen uns zwar andere Vorteile, aber nicht die, die wir uns von einer Pause wünschen. Ebenso wenig sinnvoll ist Prokrastination, bei der wir etwas anderes tun, um eine Aufgabe zu vermeiden, für die uns die Motivation oder Energie fehlt. Noch einmal: Es geht nicht darum, das Gehirn zu beschäftigen, sondern darum, ihm allen Freiraum zu schaffen, damit es einmal gründlich aufräumen kann.

„Wenn wir nicht selbst entscheiden, wann wir Pausen machen, zwingt unser Gehirn uns dazu“

JT: Allerdings kann man sich nicht einfach so selbst vorschreiben, augenblicklich den Kopf freizubekommen. Wie gelingt es uns besser?

CC: Das stimmt, und unsere Abhängigkeit von digitalen Hilfsmitteln bedroht diese Momente des Tagträumens immer stärker. Es ist schwierig, der Versuchung zu widerstehen, wenn Smartphone und Computer ständig in Reichweite sind. Daher ist unser erstes Gebot, die Geräte zur Seite zu legen. Als Zweites müssen wir vor allem unser schlechtes Gewissen beim Pausenmachen abstellen. Ruf dir bewusst in Erinnerung, welche Vorteile echte Pausen bringen, auch für deine Produktivität. Falls du noch nicht überzeugt bist, mach einen Test: Arbeite einmal stundenlang ohne jegliche Pause und ohne auch nur kurz aufzuhören. Wie läuft es? Früher oder später wird dein Gehirn selbst eine Pause einlegen. Auch wenn eine Aufgabe zu kompliziert oder zu langweilig ist, muss das Gehirn seine Aufmerksamkeitsfähigkeit regenerieren und zwingt dich dazu, innezuhalten.

Ist es also nicht besser, aktiv selbst zu entscheiden, wann wir eine Pause einlegen, statt zuzulassen, dass unser Gehirn uns dazu zwingt? So können wir einen Zeitpunkt wählen, zu dem wir unsere Arbeit nicht gefährden und nicht Gefahr laufen, in einem kritischen Moment plötzlich abzuschalten – etwa dann, wenn unsere Chefin in einem Meeting unsere Meinung hören will.

JT: Hast du ein paar Tipps dafür, wie wir über solche Momente des gedanklichen Umherwanderns die Kontrolle behalten?

CC: Plane sie! Dazu braucht es etwas Selbstdisziplin. Bringe dich zum Beispiel dazu, alle 20 Minuten etwa 20 Sekunden lang aus dem Fenster in die Ferne zu schauen. Oder löse den Blick von deinem Computer oder Notizbuch und mach dir die Menschen um dich herum bewusst. Wir können auch für fünf Minuten nach draußen gehen. Manche bevorzugen es, eine Weile in ein Notizbuch zu kritzeln oder ein Mandala auszumalen. Dabei ist es wichtig, dass wir eine repetitive Handlung wählen, die keinen hohen mentalen Einsatz fordert.


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