Wie gehe ich damit um, dass Fähigkeiten immer schneller veraltet sind?
Hilfe, meine Fähigkeiten verschwinden! Was können wir tun, wenn immer mehr unserer Fähigkeiten von künstlichen Intelligenzen ersetzt werden, die unsere Arbeit genauso gut (oder besser?) erledigen wie wir, und die Lebenserwartung unseres Know-hows sich im freien Fall befindet? Chat GPT-5, Midjourney auf Discord, ... Die Entwicklungen überschlagen sich förmlich und wir haben keine andere Wahl, als alles zu tun, um mit ihnen Schritt zu halten. Haben wir es hier mit Mission Impossible zu tun? Wir haben uns zu diesem Thema mit Isabelle Rouhan unterhalten, Autorin der Bücher „Les métiers du futur“ („Die Berufe der Zukunft“, in Zusammenarbeit mit Clara-Doïna Schmelck) und „Emploi 4.0“ („Arbeit 4.0“) sowie Gründerin von Colibri Talent, einer auf die Veränderung von Berufen spezialisierten Personalvermittlung. Sie zeigt uns auf, wie wir uns auf weniger geradlinige (und dafür umso spannendere?) Berufswege vorbereiten können. Ein Interview.
23. Juni 2025 · 1 min Lesezeit

JobTeaser: Warum sind berufliche Fähigkeiten heute schneller veraltet als noch vor dreißig Jahren?
Isabelle Rouhan: In den 1970er Jahren hatte das Know-how beziehungsweise die technische Fähigkeit, eine Aufgabe auszuführen, eine Lebensdauer von 30 Jahren. Heute sind es laut OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) nur noch 12 bis 18 Monate. Das bedeutet das Ende der linearen Karrieren, in denen wir unser gesamtes Berufsleben hindurch in der gleichen Position oder im gleichen Unternehmen bleiben und den Beruf ausüben, der auf unserem ersten Abschluss basiert. Doch solange wir das im Voraus wissen und uns darauf vorbereiten, ist das nichts Schlimmes.
Die beschleunigte Veralterung von Fähigkeiten entsteht in erster Linie durch die Automatisierung von repetitiven Aufgaben, die oft besonders mühsam sind. Lassen wir also die Rechner und Algorithmen tun, was sie tun können! Für uns ist das eine gute Nachricht, da wir Menschen mehr Zeit gewinnen, in der wir uns weiterbilden und anderen Bedürfnissen nachgehen, kurz: interessantere Dinge tun können.
Ich glaube absolut nicht daran, dass wir alle durch Maschinen ersetzt werden. Klar, es gibt Berufe, die verschwinden werden, so wie es schon lange keinen Bedarf an Hufschmieden oder Fahrstuhlführer:innen mehr gibt. Dafür entstehen neue Berufe. Laut Eurostat könnte die Digitalisierung fast 15 Millionen Arbeitsplätze schaffen, während die Automatisierung im gleichen Zeitraum 6 Millionen überflüssig macht. Die Bilanz ist also eindeutig positiv. In Frankreich werden beispielsweise in den nächsten Monaten 4,5 Millionen Neueinstellungen erwartet, 13 % mehr als im vergangenen Jahr, doch 58 % davon werden bereits jetzt als schwierig betrachtet, weil die Kandidat:innen fehlen. Das ist der Fall im Gesundheitswesen, im Bereich CO₂-reduzierte Mobilität, in der Gebäudesanierung, der Logistik, ... Es geht also darum, Alternativen anzubieten und die Umschulung und den Wechsel von einem Beruf in einen anderen zu erleichtern. Es kommt darauf an, Menschen zu schützen, nicht Arbeitsplätze.
JT: Wie können wir also dazu übergehen, nicht mehr eine lebenslange Beschäftigung im selben Beruf, sondern eine lebenslange Beschäftigungsfähigkeit anzustreben? Wie entgehen wir der „geplanten Obsoleszenz“ im Beruf?
IR: Die erste gute Nachricht: Wir können uns unser ganzes Leben lang neue Fähigkeiten aneignen. Wie gesagt: Ich glaube nicht, dass Menschen, die KI (Künstliche Intelligenz) nicht beherrschen, von dieser ersetzt werden. Aber es kann durchaus geschehen, dass sie von anderen Menschen ersetzt werden, die im Bereich KI, Algorithmen, Mathematik, Low Code und dergleichen besonders versiert sind. Wir werden uns also ständig und kontinuierlich weiterbilden müssen, statt auf immer unbeständigere technische Fähigkeiten zu setzen.
Wende dich an Beratungsstellen wie die Arbeitsagentur oder frag bei deiner Personalabteilung nach, ob interne Schulungen oder Fortbildungen angeboten werden. Wir haben das Glück, in einem Land zu leben, in dem wir zahlreiche Möglichkeiten zur Weiterbildung haben.
JT: Und die zweite gute Nachricht?
IR: Technische Kompetenzen sind nicht die einzigen gefragten Fähigkeiten. Achte zu Beginn deiner Karriere (und auch danach) besonders darauf, deine Soft Skills zu erweitern. Fähigkeiten wie Agilität, die Fähigkeit, im Team zu arbeiten oder vor Publikum zu sprechen, sowie analytisches und kritisches Denken sind definitiv nicht davon bedroht, je überflüssig zu werden. Ganz im Gegenteil: Je weiter du in deinem Berufsleben voranschreitest, desto wichtiger werden sie. Und ganz wie ein guter Wein werden sie mit der Zeit immer besser.
JT: Muss man sich nicht auf einen Beruf spezialisieren, um die ganzen Entwicklungen mitzubekommen und mitzumachen?
IR: Ich glaube im Gegenteil, dass es die Generalist:innen sind, die zukünftig am besten aufgestellt sind. Schon allein deshalb, weil 85 % der Personen, die sich aktuell in der Erstausbildung befinden, im Jahr 2030 in einen Beruf tätig sein werden, den es heute noch nicht gibt. Schon jetzt sehen wir deutlich, wie viele von uns ihren Beruf nicht mehr auf die gleiche Weise ausüben wie noch vor fünf oder zehn Jahren – man denke nur an die Rolle, die Videokonferenzsoftware heute im Büro spielt. Je vielseitiger deine Fähigkeiten sind, desto besser bist du für die Zukunft gerüstet. Der erste Soft Skill, den man besitzen und ausbauen sollte, ist also zweifellos die Fähigkeit zu lernen. In einer Welt, die ständig in Bewegung ist, müssen wir uns selbst zudem immer wieder hinterfragen, zum Beispiel mit der japanischen Ikigai-Methode: Wir müssen herausfinden, wo sich die Tätigkeiten, die wir lieben, mit dem decken, worin wir gut sind und wofür es einen Markt gibt. Da sich all das ebenso wie die gesamte Arbeitswelt ständig im Wandel befindet, ist es wichtig, diese Fragen immer wieder neu zu stellen.
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