Kategorie: Persönliche Entwicklung

Kompetenztests: Warum sind sie nützlich und worauf sollte man achten?

Kompetenztests können dir helfen, dich in der Arbeitswelt (neu) zu orientieren und herauszufinden, was dir liegt und was nicht. Allerdings ist nicht jeder Testanbieter seriös. Wie kannst du dieses hilfreiche Instrument also für deine berufliche Weiterentwicklung nutzen, ohne dich übers Ohr hauen zu lassen? Eine Gebrauchsanweisung.

15. Mai 2023 · 1 min Lesezeit

Natacha Picajkic

Wann und warum sollte ich einen Kompetenztest machen?

Lass uns zunächst ein Vorurteil loswerden: Nein, Kompetenztests sind nicht nur was für ältere Menschen oder für niedrigqualifizierte Personen, die Tests beim Jobcenter machen, weil sie Schwierigkeiten damit haben, ihren Platz auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Stattdessen greifen immer mehr Menschen unter 30 auf sie zurück, ob für eine erste Orientierung beim Berufseinstieg oder bei der Suche nach neuen beruflichen Möglichkeiten. Betrachte die Kompetenzanalyse wie eine medizinische Vorsorgeuntersuchung: Vorbeugung ist immer die beste Medizin, oder nicht? Statt zu warten, bis es durch deine Arbeit zu einem Burnout oder chronischen Leiden kommt, solltest du auf einige Warnzeichen achten: Du wirst immer müder? Nervös? Von deinen Aufgaben frustriert? Dann ist der Moment gekommen, um in aller Ruhe eine Bilanz deines Karrierebeginns zu ziehen. Deine Unzufriedenheit in Worte zu fassen ist der erste Schritt, um etwas gegen sie zu unternehmen. Jetzt ist auch eine gute Gelegenheit, um dich zu fragen, wo deine Wünsche liegen – denn das sind mit 20 nicht unbedingt die gleichen wie mit 30 oder 35. Es gibt eine Menge Gründe dafür, dich mit diesen Fragen einmal näher zu beschäftigen. Eine Kompetenzanalyse ist letztendlich ein bisschen so wie die F5-Taste auf deiner Tastatur – nur dass du damit keine Website aktualisierst, sondern das Bild, das du und andere von dir selbst und deinen Fähigkeiten haben.

„Aber ich hab gar keine Lust, den Job zu wechseln!“ Auch hier tritt schnell ein Missverständnis auf: Nicht jeder Kompetenztest dient zwangsläufig dazu, dein Berufsleben auf den Kopf zu stellen und dich völlig neu zu orientieren. Nicht alle zweifelnden Versicherungsmaklerinnen schmeißen ihren Job hin, um stattdessen Craft Beer zu brauen, und nicht jeder desillusionierte Vertriebsmitarbeiter eröffnet in einer Kurzschlussreaktion einen eigenen Bioladen (auch wenn das zweifellos momentan in Mode ist). Das Ziel besteht erst einmal einfach darin, dich besser kennenzulernen und (wieder) Vertrauen in dich zu gewinnen. Ein wichtiger Schritt dabei ist insbesondere, die Kompetenzen zu identifizieren, die du dir – vielleicht ohne dir dessen bewusst zu sein – in der letzten Zeit angeeignet hast: Wenn du dich beispielsweise um das Social-Media-Image deines Unternehmens gekümmert hast, wette ich, dass du dabei so einiges über Kommunikation gelernt hast, was du in deinen Lebenslauf schreiben kannst.

Methoden zur schnellen Selbstanalyse

Wenn du noch am Anfang deiner Karriere stehst, kannst du eine Selbstanalysemethode nutzen, um deine Stärken zu finden. Dafür kannst du dich etwa am Ikigai-Konzept orientieren, einer japanischen Methode, um für sich selbst zu einem sinnreichen Leben zu finden.

  1. Zeichne vier große Kreise auf ein Blatt Papier.
  2. Notiere in einem der Kreise alles, was du im Leben gerne machst und was dir Freude bereitet, ob in der Arbeit oder in der Freizeit.
  3. Notiere im zweiten Kreis deine Talente, zwischenmenschlichen Qualitäten und Fähigkeiten.
  4. Liste im dritten Kreis die Kompetenzen, Tätigkeiten oder Leistungen auf, für die du bezahlt werden könntest.
  5. In den vierten Kreis kommen Anliegen, für die du dich einsetzen willst, und Prioritäten, die dir wichtig sind.
  6. Suche anschließend die Gemeinsamkeiten zwischen den Elementen in den vier Kreisen: Das, was nun im Überschneidungsbereich in der Mitte der Kreise steht, ist dein Ikigai – der Bereich, in dem du einen Beruf finden könntest, der sich für dich sinnvoll anfühlt.

Ein Beispiel: Du hörst gerne zu, bist gut darin, ein offenes Ohr für andere zu haben, kannst gut mit einer Kamera umgehen und glaubst daran, dass es wichtig ist, andere Menschen verstehen zu lernen. Wie wäre es, wenn du Dokumentarfilmer:in werden würdest?

Die von JobTeaser entwickelte Hester[SZ1] -Methode bietet dir eine weitere nützliche Möglichkeit, deine Soft Skills und Wünsche kennenzulernen. Die Methode umfasst drei Schritte:

  1. Als Erstes überlegst du dir mithilfe einer Liste mit rund 60 Fähigkeiten, was du im Leben erreichen möchtest, und legst dann eine Top-3-Liste an Soft Skills fest.
  2. In einer zweiten Übung beantwortest du einen Fragebogen zu einer Reihe von Situationen und gibst an, ob du sie schon einmal erlebt hast.
  3. Für jeden der Soft Skills aus deinen Top 3 musst du eine Situation angeben, in der dieser nötig war.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Aber Vorsicht: Nicht alle selbsternannten Coaches auf LinkedIn sind vertrauenswürdig. Achte darauf, dass du einen qualifizierten und seriösen Anbieter wählst. Falls du noch vor der Entscheidung für eine Ausbildung oder ein Studium stehst, kannst du beispielsweise einen Blick auf den Selbsttest Check-U der Bundesagentur für Arbeit werfen oder dort einen Termin für den Berufswahltest machen, der dir hilft herauszufinden, wie gut du für deinen Wunschberuf geeignet bist.

Okay, aber kann ich auch noch zu einem späteren Zeitpunkt in meinem Berufsleben einen Kompetenztest machen?

Natürlich! Ein Kompetenztest kann sehr hilfreich sein, wenn du gerade arbeitslos bist und dich beruflich neu orientieren möchtest oder wenn du unsicher bist, ob dein aktueller Beruf noch das Richtige für dich ist. Für den Anfang findest du im Internet die verschiedensten kostenlosen Selbsttests, die dir als Orientierung dienen können. Eventuell lohnt es sich auch, deinen Arbeitgeber zu fragen, ob er Kompetenztests anbietet.

Was genau passiert bei einer Kompetenzanalyse-Beratung?

Wenn du dich für eine professionelle Beratung entscheidest, solltest du dafür genug Zeit einplanen. So kannst du dich gut vorbereiten, in dich gehen und in Ruhe nachdenken. Idealerweise erstreckt sich die Beratung über mehrere Termine, damit du dich in der Zwischenzeit mit den Fragen und Ergebnissen beschäftigen kannst.

Falls du sehr introvertiert bist, sei vorgewarnt: Damit das Ergebnis des Kompetenztests dich wirklich widerspiegelt, solltest du sehr offen sein und viel von dir preisgeben. Wir können dir aber versichern, dass bei einer professionellen Beratung alles vertraulich bleibt – und das schon beim Vorgespräch, bei dem du über deine Bedürfnisse und Erwartungen sprichst. Bei diesem Gespräch erfährst du, welche Methoden eine Person anwendet und wie sie vorgeht. Falls dir etwas nicht zusagt, spricht überhaupt nichts dagegen, höflich abzulehnen und woanders weiterzusuchen.

Falls du dich für die Beratung entscheidest, geht es anschließend um deine Motivationen, Werte und Interessen, um herauszufinden, wo deine Wünsche wirklich liegen, und dein Potenzial zum Vorschein zu bringen. Oft gehört es zur Beratung, dich in verschiedene berufliche Situationen hineinzuversetzen und psychologische Tests durchzuführen.

Im letzten Schritt beschäftigst du dich mit der konkreten beruflichen Realität: Du setzt dich mit verschiedenen Berufsbeschreibungen auseinander und suchst das Gespräch mit Personen, die bereits in deinem gewünschten Gebiet oder deiner Wunschposition tätig sind. So bekommst du ein genaueres Bild von der beruflichen Realität und vermeidest es, unrealistische Vorstellungen zu haben, ohne die negativen Seiten von reizvollen Berufen zu kennen: Gitarrist:innen können Gelenkprobleme kriegen, Astronaut:innen haben vor dem Flug in die Sterne unglaublichen Stress und Ärzt:innen müssen ein meist sechsjähriges Studium und eine fünfjährige Facharztausbildung durchlaufen, was für eine berufliche Neuorientierung nicht unbedingt die einfachste Option ist. Zuletzt legst du Schritt für Schritt fest, wie dein weiterer Berufsweg aussehen soll.

Wie finde ich eine gute Beratung?

Die Suche ist nicht unbedingt einfach: Es gibt genauso viele seriöse wie unseriöse Anbieter, insbesondere bei kostenpflichtigen Angeboten. Vertrau nicht einer beliebigen Phishing-SMS, dem heißen Tipp vom Freund der Nachbarin deiner Cousine, einem überschwänglichen LinkedIn-Post von einem selbsternannten Selbsthilfe-Coach oder einer Fünf-Sterne-Bewertung auf Google. 

Ein guter Tipp ist die bereits erwähnte kostenlose Berufsberatung bei der Bundesagentur für Arbeit. Ansonsten ist zum Beispiel das Qualitätssiegel des Deutschen Verbands für Bildungs- und Berufsberatung e. V. (DVB) ein möglicher Anhaltspunkt.

Überlege dir auch, was deine ganz persönlichen Bedürfnisse und Erwartungen sind. Manche Beratungen sind beispielsweise auf eine bestimmte Branche spezialisiert. Wenn du jemanden gefunden hast, musst du die Berater:innen nur noch persönlich kennenlernen. Für das Vorgespräch gilt das, was wir schon angedeutet haben: Höre auf dein Bauchgefühl! Keine falsche Zurückhaltung, deine berufliche Zukunft steht auf dem Spiel!


JobTeaser


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