Unglücklich im dualen Studium: Wenn der Arbeitgeber nicht die Erwartungshaltung erfüllt
Die Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages für eine duale Ausbildung ist ein Grund zu feiern! Theoretisches Wissen aus den Vorlesungen lässt sich sofort in der Praxis umsetzen, du verdienst von Beginn an dein eigenes Geld und musst dennoch auf die Vorzüge und Vergünstigungen des Studentenlebens nicht verzichten. Klingt wie ein wahr gewordener Traum.
12. Mai 2023 · 1 min Lesezeit

Bestehen die Aufgaben vormerklich nur aus Kaffee zubereiten und kopieren, reihen sich wiederholte Überstunden aneinander oder erschweren menschliche Differenzen den Gang zur Arbeit, erstickt die Euphorie im Keim. In Panik verfallen, ist jetzt kein guter Berater. Wir zeigen dir, wie du deine Probleme in der Ausbildung lösen kannst.
Vertragliche Pflichten und Rechten im dualen Studium
Die Abbrecherquote im dualen Studium ist mit unter 10 Prozent tendenziell niedrig. Zum Vergleich: In rein theoriebezogenen Studiengängen brechen durchschnittlich rund 20 Prozent vorzeitig ab. Häufige Gründe hierfür sind eine falsche Fachwahl oder eine eintretende Überforderung im Studium.
Bevor du zu deinem Arbeitgeber gehst, um dein duales Studium zu kündigen, solltest du zunächst deine Rechten und Pflichten kennen. Als duale:r Student:in bist du weisungsgebunden und verpflichtet, dich an die betriebliche Ordnung zu halten. Zudem geht eine Lernpflicht mit deinem Ausbildungsvertrag einher. Dein oberstes Ziel ist es also, dein Studium erfolgreich zu absolvieren und Lehrveranstaltungen regelmäßig zu besuchen. Sollte dies einmal nicht klappen, informierst du das Unternehmen über deine Abwesenheit.
Im Gegenzug stellt dir dein Arbeitgeber alle Ressourcen zur Verfügung, die du für einen erfolgreichen Abschluss benötigst. Hierzu zählen praxisbezogenes Wissen, Zeit, Geld und Materialien. Sollten deine Prüfungen einmal in der Praxiszeit liegen, wirst du selbstverständlich freigestellt.
In einem optimalen Arbeitsverhältnis dient dein Arbeitgeber im dualen Studium somit als eine Art Mentor:in für dich. Das Unternehmen stärkt dich in deinem Wachstum und hält dir in Prüfungsphasen gleichzeitig den Rücken frei. Stimmt die Theorie mit der Praxis nicht überein, führt dies zu Unmut und Frustration.
Durch Feedbackgespräche eigene Unzufriedenheiten zum Ausdruck bringen
Sobald du eine Unzufriedenheit im Job verspürst, lohnt es sich, in den Dialog zu gehen. Häufig lassen sich Probleme bereits durch Feedbackgespräche und gegenseitiges Verständnis lösen – das gilt sowohl für Probleme, die du mit dem Arbeitgeber hast als auch für auftretende Hürden im Studium.
Bist du beispielsweise zufrieden mit deinem Job, startest jedoch täglich übermüdet in den Tag, da die Fahrpläne des öffentlichen Nahverkehrs einfach nicht mit deinen Arbeitszeiten übereinstimmen, sinkt auch deine Leistung. Gehe also gerne proaktiv auf dein Unternehmen zu und schlage eine kürzere Mittagspause oder einen späteren Start vor, um deine Leistung zu verbessern. So übernimmst du Verantwortung und zeigst deinem Arbeitgeber zugleich, dass du gemeinsam Verbindlichkeiten schaffen möchtest.
Schwerer fällt es, wenn die Probleme in der dualen Ausbildung auf zwischenmenschlicher Ebene liegen. Hier bedarf es Fingerspitzengefühl und ggf. die Unterstützung eines Mediators. Einen Antrag kannst du hierfür beispielsweise bei der IHK stellen. Im Anschluss wird gemeinsam mit dem Arbeitgeber ergebnisoffen diskutiert und im besten Fall eine Lösung gefunden.
Es kann jedoch auch sein, dass deine Unzufriedenheit im Mangel fachlicher Aufgaben begründet ist. Verlangt das Unternehmen zum Beispiel, dass du Aufgaben ausführst, für die du nicht ausgebildet bist, kannst du nach begleitender Unterstützung fragen. Wichtig ist jedoch auch zu erkennen, wann selbstständiges Arbeiten gefordert ist. Viele Fragen lassen sich bereits durch Zuhören, Googlen oder Nachlesen erschließen. Eigeninitiative macht sich einfach immer bezahlt.
Per se ist auch das Kopieren von Dokumenten keine Aufgabe, für die du dir zu schade sein solltest. Alles muss sich am Ende des Tages die Waage halten. Solange dein Arbeitgeber seine Pflicht erfüllt, dir Wissen zu vermitteln und dich auszubilden, dürfen auch Kaffeekochen oder Kopieren Teile deiner Aufgaben sein.
Hilfe von der Hochschule: So unterstützen Tutor:innen
Nicht immer verlaufen Feedbackgespräche konstruktiv. Als duale Student:in befindet du dich nicht nur in der Obhutspflicht deines Arbeitgebers, sondern auch jener der Hochschule.
Bevor du dein duales Studium abbrechen wirst, lohnt sich ein Gespräch mit den Tutor:innen. Sie zeigen dir mögliche Wege und Perspektiven auf und geben dir eine objektive Einschätzung über die Tragweite deiner Probleme. Das Hinzuziehen von Tutor:innen oder Mediator:innen ist zudem sinnvoll, wenn das Vertrauensverhältnis durch Vorfälle wie Diskriminierung, sexuelle Belästigung oder Mobbing gestört ist. Solches Verhalten ist nicht tolerierbar.
Arbeitgeber während des Studiums wechseln: Das gilt es zu beachten
Lassen sich die Probleme mit dem eigenen Arbeitgeber nicht lösen, impliziert das noch nicht das Scheitern deines Studiums. Auch während einer Ausbildung kannst du deinen Arbeitgeber jederzeit wechseln. Dabei musst du dich, sofern es sich nicht um einen Grund handelt (z. B. Mobbing, sexuelle Diskriminierung), der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, an Kündigungsfristen halten. Diese sind in deinem Ausbildungsvertrag klar geregelt.
Bleib während deines Jobwechsels unbedingt immer im Kontakt mit der Studienberatung, um deinen Abschluss nicht zu gefährden. Sie gibt dir Hilfestellung und weist dich gleichzeitig auf alle bürokratischen Hindernisse hin. Reiche zudem erst die Kündigung ein, wenn du bereits ein neues Unternehmen für dein duales Studium gefunden hast und dir die Studienberatung grünes Licht gibt. Dann darfst du es auch deinem Arbeitgeber gegenüber offiziell machen und dein duales Studium offiziell kündigen.
Stolperstein Rückzahlungsklausel
Denke dabei daran, dass du gegenüber deinem Arbeitgeber die Pflicht eingegangen bist, dein Studium erfolgreich abzuschließen. Kündigst du vorzeitig, weil du dein Studium nicht bestehst, es nicht das richtige war oder der Arbeitgeber nicht zu dir passt, könnte dies für dich teuer werden. Kosten darf dein Arbeitgeber jedoch ausschließlich für schulische, nicht jedoch für berufliche Aufwände erheben. Zudem müssen sie verhältnismäßig sein und dürfen während deiner Orientierungsphase (in der Regel die Phase der Probezeit) nicht geltend gemacht werden. Gemeinsam mit Mediator:innen, Studienberatungen oder einem Anwalt prüfst du den Stolperstein der Rückzahlungsklausel auf Zulässigkeit.
Fazit: Ist das duale Studium ein Karrierekiller?
Ein duales Studium geht mit einer Doppelbelastung einher und dient gleichzeitig als perfekte Möglichkeit, um theoretisches Wissen durch learning on the job zu vertiefen. Die geringe Abbrecherquote von unter 10 Prozent zeigt zudem, dass duale Student:innen der doppelten Belastung gewachsen sind.
Auch für den weiteren Karriereweg ist ein duales Studium häufig ein Gewinner: Die bereits erworbene Praxiserfahrung kommt gut an und es bestehen auch Übernahmechancen im Ausbildungsbetrieb.
Prinzipiell hat das duale Studium somit seine Daseinsberechtigung. Dennoch ist es nicht für jede:n der richtige Karriereweg und es stellt auch keine Schande dar, das duale Studium vorzeitig abzubrechen. Karrieren sind vielfältig und so auch die Ausbildungsmöglichkeiten. Am Ende des Tages muss dir dein Studium Spaß machen und die Ausbildung in einer wertschätzenden Atmosphäre erfolgen.
Hat Ihnen dieser Artikel geholfen?