Kategorie: Persönliche Entwicklung

Wie stärke ich meine emotionale Intelligenz im Berufsleben und warum ist sie so wichtig?

Als Menschen, die in einer Gesellschaft leben, sind wir meist tagtäglich mit anderen in Kontakt. Fähigkeiten wie Selbstanalyse, Selbstbeherrschung oder Einfühlungsvermögen sind daher für ein erfolgreiches Zusammenleben unverzichtbar. Zusammen bilden sie das, was wir emotionale Intelligenz nennen, und sie sind für den IQ quasi das, was Gewürze für ein gutes Gericht sind: Die emotionale Intelligenz ergänzt und verfeinert unsere Fähigkeiten zum logischen Denken und der Informationsverarbeitung. Oft ist sie im Berufsleben nützlicher und wichtiger als viele Hard Skills. Wie kann man also die eigene emotionale Intelligenz stärken? Darüber haben wir mit Victoire Martinet gesprochen, Product Operation Manager bei JobTeaser und begeisterte Seglerin, die oft lange Zeit allein auf See ist (ideal für die Selbstreflexion!). Sie gibt uns unsere besten Tipps.

17. Mai 2023 · 1 min Lesezeit

Natacha Picajkic

Was genau macht man als Product Operation Manager?

Meine Hauptaufgabe besteht darin, für die Koordination zwischen Menschen zu sorgen, beispielsweise dafür, dass das Technik- und das Vertriebsteam miteinander in Kontakt sind und sich gut verstehen. Dazu muss ich die Bedürfnisse einer Person gut verstehen und gegenüber anderen Personen kommunizieren, die – im übertragenen Sinne – vielleicht eine ganz andere Sprache sprechen. Unsere Vertriebler:innen können zum Beispiel nicht unbedingt viel mit technischem Jargon anfangen. Damit mir das gelingt, stütze ich mich auf meine emotionale Intelligenz.

Was genau ist die emotionale Intelligenz?

Ich persönlich habe mir über dieses Konzept noch nicht sehr viele Gedanken gemacht, aber zum Glück haben das andere für mich getan. Und auch wenn manches davon selbstverständlich erscheint, ist es gar nicht so einfach in Worte zu fassen.

Marina Fiori, Schweizer Forscherin an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB), erklärt in einem Artikel: „Emotionale Intelligenz ist notwendig, um die Rolle der Emotionen im zwischenmenschlichen Zusammenleben berücksichtigen zu können“.

Im Arbeitsleben scheint mir das absolut unverzichtbar: Wenn wir uns unserer Emotionen und der Situationen, in denen sie zum Ausdruck kommen, nicht bewusst sind und nicht versuchen zu verstehen, was in anderen vor sich geht, steuern wir geradewegs auf Frustrationen und Missverständnisse zu. So entstehen schnell Konflikte, die das Arbeitsklima und auch die Qualität der Arbeit enorm verschlechtern können.

Wie sieht es konkret aus, emotionale Intelligenz zu zeigen?

In seinem Bestseller zu diesem Thema schreibt der amerikanische Psychologe Daniel Goleman, dass emotionale Intelligenz auf fünf Säulen basiert:

  • Selbstwahrnehmung: Die Fähigkeit, dir dessen bewusst zu sein, was dich stresst, verärgert oder motiviert, wo deine Stärken liegen und wie sich dies auf andere auswirkt.
  • Selbstregulierung: Die Fähigkeit, dich selbst zu kontrollieren und negative Emotionen oder Stimmungen loszuwerden oder umzulenken.
  • Motivation: Der Optimismus und die Energie, die du für Projekte aufwenden kannst.
  • Empathie: Die Fähigkeit, die Emotionen einer anderen Person nachempfinden und dich in ihre Lage zu versetzen.
  • Soziale Kompetenz: Dein Verhalten gegenüber anderen und die Fähigkeit, das Vertrauen von Menschen zu gewinnen.

Kann man sich emotionale Intelligenz erarbeiten, wenn man nicht von selbst über sie verfügt?

Vielleicht denkst du dir gerade: „Pfff, emotionale Selbstkontrolle hatte ich noch nie!“ Oder du bist etwas irritiert: „Selbstwahrnehmung, sich seiner selbst bewusst werden – klingt das nicht alles arg philosophisch? Schließlich geht‘s gerade um die Arbeit und nicht um eine Meditationsrunde mit Buddha und Sokrates, oder?“

Keine Sorge: Zuallererst ist die emotionale Intelligenz „nichts, was uns angeboren ist, sondern eine Fähigkeit. Es gibt fraglos Personen, die sie leichter entwickeln als andere, aber gelingen kann es uns allen“, sagt Régis Rossi, Mitherausgeber des Buches Les Pouvoirs de l’intelligence émotionnelle (sinngemäß: „Die Macht der emotionalen Intelligenz“).

Außerdem musst du kein großes Selbstfindungsabenteuer beginnen, um deine emotionale Intelligenz zu stärken (außer das ist genau dein Ding). Nimm einfach ein bisschen was von der Zeit, die du sonst zum Beispiel auf sozialen Medien verbringst, um dich bewusst auf dich selbst und deine Emotionen zu besinnen, und sei dabei vor allem ehrlich zu dir selbst.

Gibt es Übungen oder Methoden, mit denen das einem leichter gelingt?

Die meiner Ansicht nach wichtigsten Punkte kann ich in drei Tipps zusammenfassen:

1. Teste dich selbst 

Ein guter Anfang ist eine kleine Selbsteinschätzung. Stell dir die Frage, wo du dich bei jeder der fünf Säulen der emotionalen Intelligenz verorten würdest. Denke an Situationen, in denen du bestimmte Emotionen empfunden hast, etwa in Gesellschaft von Freund:innen, in Schule oder Studium, bei einem Praktikum ... Überlege, wie stark Wut, Freude, Traurigkeit und alle anderen aufgetretenen Emotionen in diesen Situationen waren. Frag dich, wann deine Emotionen am intensivsten sind (etwa wenn du müde, gestresst oder verletzt bist). Du kannst auch Menschen fragen, die dich gut kennen.

Auch Persönlichkeitstest wie das DiSG®-Persönlichkeitsmodell oder das Big Five-Modell[SZ1]  können dir helfen, mehr über dich selbst zu erfahren. Bei JobTeaser machen wir alle eine Art Training, das sich Process Com nennt. Diese aus den USA stammende Methode wurde ursprünglich für die NASA entwickelt, um auszuwählen, welche Personen dafür geeignet sind, in einem geschlossenen Raum und ohne Kontakt zur Außenwelt in den Weltraum geschickt zu werden. Grob gesagt sagt dieses Modell, dass jede Person einen bestimmten Persönlichkeitstyp hat, der unterschiedliche Phasen durchlaufen kann. Die verschiedenen Typen sind Empathiker:innen (beziehungsorientiert), Logiker:innen (organisatorisch orientiert), Beharrer:innen (auf Werte und Überzeugungen konzentriert), Träumer:innen (auf die interne Reflexion konzentriert) und Rebell:innen (von der spielerischen Seite des Lebens angezogen; neigen zum ungefilterten Ausdruck von Emotionen).

Durch dieses Modell habe ich verstanden, dass ich primär von Emotionen angetrieben werde, während es bei anderen eher Fakten oder Wahrnehmungen sind. Auf einer solchen Grundlage kannst du dich selbst mit etwas Abstand betrachten und versuchen, deine Reaktions- und Interaktionsweisen bewusst zu steuern.

2. Höre zu und stelle Fragen 

Um deine emotionale Intelligenz zu stärken, empfehle ich dir außerdem, so oft wie möglich anderen Menschen aktiv zuzuhören. Aktives Zuhören bedeutet, wirklich zu hören und wahrzunehmen, was eine Person zu sagen hat. Vermeide es, ihr ins Wort zu fallen oder bereits über deine eigene Antwort nachzudenken, statt zuzuhören. Es handelt sich um eine gute Methode, um das Vertrauen einer Person zu gewinnen, aber auch, um sie besser kennenzulernen und herauszufinden, was sie fühlt und was sie antreibt.

Regel Nummer eins ist also: Zuhören, beobachten und anschließend Fragen stellen. Damit wir ein Bedürfnis, eine Aufgabe oder ein Problem wirklich verstehen können, müssen wir viele Fragen stellen. Halte dich dabei nicht zurück! Die Fragen zeigen dein Interesse und helfen dir, die Erwartungen von Kolleg:innen oder Vorgesetzten richtig einzuschätzen.


3. Steuere deine Reaktionen 

Fragen zu stellen hilft dir, dich in andere hineinzuversetzen und eine Situation oder ein Projekt aus ihrer Sicht zu betrachten. Empathie ist etwas, das man üben kann. Niemand kann Gedanken lesen, also müssen wir lernen, andere zu verstehen.

Du kannst dir selbst Fragen stellen wie: „Wie hätte ich selbst auf diese E-Mail oder diesen Kommentar im Meeting reagiert? Was hätte ich gemacht, wenn ich selbst für diese dringende Projektänderung verantwortlich gewesen wäre?“

Es geht darum, andere Menschen immer besser lesen zu lernen. Besonders wichtig ist diese Fähigkeit für Menschen in Führungspositionen. Wenn beide Seiten sie beherrschen, entsteht ein angenehmes und produktives professionelles Klima, in dem alle sich deutlich besser verstehen und weniger Missverständnisse auftreten.

Ein notwendiger erster Schritt besteht also darin, sich selbst zu kennen und zu versuchen zu verstehen, wie man auf Dinge reagiert. Wenn man dies anschließend auf andere anwendet, kann man den Ball zurückspielen und von gegenseitigem Vertrauen und Respekt profitieren. All das hilft dabei, sich besser durchzusetzen, erfolgreich Projekte zu leiten oder sich ganz einfach im Job wohl zu fühlen. Kurz gesagt: Die emotionale Intelligenz zu stärken setzt einen positiven Kreislauf in Gang, der allen zugute kommt.


 [SZ1]Ich habe den MBTI durch das Big Five-Modell ersetzt, weil der MBTI meinen Recherchen nach als überholt und nicht wirklich aussagekräftig gilt.


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