RecruiterBewährte HR-PraktikenCandidate Experience verbessern: So fördern Sie positive Emotionen bei den Bewerber:innen der Gen Z

Candidate Experience verbessern: So fördern Sie positive Emotionen bei den Bewerber:innen der Gen Z

  • Mittwoch, 9. Juni 2021
  • Svenja Rausch

Eine positive, sichere Atmosphäre ist in Bewerbungsgesprächen unerlässlich.

Junge Frau mit Smartphone lachend

In Bewerbungsgesprächen gilt es, die Kandidat:innen realistisch einzuschätzen und gleichzeitig ein authentisches Bild des Unternehmens zu zeichnen. Eine positive, sichere Atmosphäre ist dafür unerlässlich. Wie Sie als Personaler:in auf positive Emotionen statt Knock-out-Fragen im Bewerbungsgespräch setzen, der Gen Z auf Augenhöhe begegnen und so für eine rundum positive Candidate Experience sorgen, verrät Emotionsforscher Markus Küppers im Interview.

Warum ist es deiner Meinung nach wichtig, sich als Personaler:in mit den Emotionen der BewerberInnen zu befassen?

Das Ziel eines Bewerbungsgesprächs ist es, Bewerber:innen hinsichtlich ihrer Eignung, Passung und Motivation einzuschätzen – fachlich wie persönlich. Simon Sinek bringt es meines Erachtens auf den Punkt: “Hire for attitude, train for skills”. Für unsere Diskussion bedeutet das in der Analogie: Die „attitude“ ist ungemein wichtig. Denn die fachliche Eignung lässt sich großteils über die Bewerbungsunterlagen feststellen. Alles andere, wie auch „attitude“, sind Emotionen, die im Gespräch identifiziert werden müssen. Etwa wie motiviert und engagiert ist die Person? Wie bindungswillig, neugierig und zuverlässig ist sie? 

Diese Informationen bekommt man jedoch selten aus faktischen Quellen. HR sollte sich daher mit Emotionen, ihrer Erfassung und Interpretation zwingend befassen. Denn fühlen sich Bewerber:innen langfristig wohl und erhalten aus ganz persönlicher Sicht die ideale Arbeitsstelle, bleiben sie länger bei einem Arbeitgeber. 

Warum ist es wichtig eine positive Atmosphäre im Bewerbungsgespräch/-prozess zu schaffen?

Erst eine positive Atmosphäre legt den Grundstein für ein entspanntes, möglichst authentisches Miteinander. Und genau darum geht es: Miteinander, nicht Gegeneinander. Das geht in den meisten Settings nur mit Offenheit und Flexibilität in der Gesprächsführung und fängt schon damit an, dass sich Bewerber:innen wohl fühlen. Das bedeutet nicht, dass nicht auch kritischen Fragen gestellt werden dürfen und sollen. Aber in einer angespannten und zugeknöpften Atmosphäre führt das unter Umständen zu einem völlig verzerrten Bild der Bewerber:innen. So kann man schlecht herausfinden, ob die „Chemie passt“. Darüber hinaus zahlt ein positives Erlebnis im Bewerbungsgespräch im Gesamten auf eine positive Candidate Experience ein. 

Miteinander nicht Gegeneinander – ein wichtiger Leitsatz! Wie schaffe ich als Personaler:in so eine wertschätzende und offene Atmosphäre?

Das erste Signal, das Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch setzen, ist die Gesprächseröffnung. Das bedeutet nicht, dass man sich gleich zu Beginn duzen sollte, wenn es der Unternehmenskultur nicht entspricht. Aber schon die Wahl des Gesprächsraumes setzt ein Zeichen. Handelt es sich zum Beispiel um einen großen, leeren Konferenztisch, kann das einschüchternd auf die Bewerber:innen wirken. Genauso wie ein Ungleichgewicht der Gesprächsteilnehmer:Innen: Je weniger Firmenvertreter:innen anwesend sind, desto entspannter ist die Atmosphäre. 

Noch wichtiger als diese Faktoren ist aber die Art der Gesprächsführung. Wer auf Firmenseite Bewerbungsgespräche als Frage-Antwort-Spiel versteht, stellt implizit eine Abgrenzung und ein Machtgefälle her. Das kommt bei Bewerber:innen nicht gut an. Vor allem für die Generationen Y und Z ist die gegenseitige Wertschätzung und ein Gespräch auf Augenhöhe wichtig. Zudem erfährt man durch die Frage-Antwort-Kaskade zwar viel über die fachliche Eignung, aber wenig auf der so wichtigen emotionalen Ebene. 

Besser ist ein offenes Gespräch, bei dem sich relevante Informationen aus dem Gesprächsfluss ergeben. Das wiederum setzt Fingerspitzengefühl und Gesprächskompetenz voraus. Auf LinkedIn, Twitter und Co. sehe ich immer wieder Checklisten, Knock-Out-Fragen und Geheimtipps kursieren, um das Gegenüber vermeintlich auszutricksen oder die „Wahrheit“ über Bewerber:innen zu erfahren. Bereits diese Herangehensweise und ihr zugrunde liegendes Menschenbild, Bewerbende hätten etwas zu verbergen, stehen dem Ziel eines offenen, authentischen Gesprächs diametral entgegen.

Viele Personaler:innen sitzen schon seit Jahren auf der gleichen Seite bei Bewerbungsgesprächen und können sich gar nicht mehr in die andere Situation hineinversetzen. Was sind denn die klassischen Emotionen die ein/eine Bewerber:in im Gespräch erlebt?

Das Zauberwort, vor allem für die Alteingesessenen, ist Empathie. Sich in andere hineinzuversetzen, ist der Schlüssel für die Arbeit mit Bewerber:innen und Kolleg:Innen. Denn die Bewerbenden quälen gleich eine ganze Reihe an Emotionen. Die wichtigste Emotion ist leider Angst, besonders, wenn der Job begehrt ist: Angst zu versagen und sich „schlecht“ darzustellen. Man fürchtet, die Grenze zwischen Ehrlichkeit und Vorsicht nicht zu kennen.  Wer auf die beliebte, aber völlig kontraproduktive Frage nach den drei Stärken und Schwächen etwas anderes sagt als „Kooperationsfähigkeit“ oder „Ungeduld“, kann schon deshalb ein Risiko eingehen, weil diese Antworten mittlerweile erwartet werden. 

Die zweite Emotion ist Unsicherheit. Verantwortliche auf Firmenseite setzen schon einmal gerne ein Pokerface auf. Bewerber:innen sollen bitte nicht erfahren, wie sie ankommen. Woher auch immer diese Masche kommt, sie lässt in meinen Augen so etwas wie ein echtes Kennenlernen nicht zu. 

Geht die Gen Z Bewerbungsgespräche anders in Bewerbungsgespräche hinein als andere Generationen?

In der Tat. Die Selbstwertschätzung der Gen Z ist tendenziell höher. Das hat zwei Gründe. Vor allem höherqualifizierte Bewerber:innen werden intensiver gesucht als noch vor Jahren, was unter anderem mit der geringeren Geburtenstärke der neuen Generation zu tun hat. Teil einer begehrten Gruppe zu sein macht natürlich selbstbewusster und wählerischer. Der zweite Grund: Auch wenn objektiv die Gen Z nicht mehr kann oder schlauer ist als andere, so sind sie aufgewachsen mit der subtilen elterlichen Botschaft, etwas Besonderes zu sein. Kinder zu haben war früher selbstverständlicher als das heute der Fall ist. Dies führt zu einem grundsätzlich höheren Level an anfänglichem Selbstvertrauen. Dies drückt sich dann beispielsweise in Fragen zur Work-Life-Balance aus, was sich die Gen X niemals getraut hätte.

Würdest du sagen die Pandemie hat die Emotionen verstärkt? Oder gibt es eine Art “neue Demut”? 

Die Pandemie verstärkt zwei Dinge emotional: Zum einen werden die Bewerber:innen weniger selbstbewusst an Bewerbungsgespräche herangehen. Aufgrund der großen Unsicherheit, die seit einem Jahr herrscht, können sie nicht mehr wie selbstverständlich von einer Beschäftigung ausgehen. Dafür passiert es zu oft, dass Firmen Praktika oder Werkstudierendentätigkeiten krisenbedingt wieder zurückziehen. Zum anderen leidet das Selbstbewusstsein in der Ausbildung, wenn man seine Kommiliton:innen nicht sieht und keinen direkten Austausch mit Lehrenden hat. 

Die einstige Sicherheit, mit der diese Generation an die Jobsuche herangegangen ist, ist also zunächst einmal passé. Videointerviews sind zwar ein guter Ersatz für das persönliche Treffen, aber die eben beschriebene Chemie zwischen Bewerber:innen und Personaler:innen lässt sich durch eine digitale Barriere noch schwerer herausfinden. Das erhöht die Unsicherheit auf beiden Seiten.

Und zu guter Letzt: Hast du Tipps wie Personaler:innen eine positive Atmosphäre erreichen und so die Candidate Experience verbessern können? 

Der erste und wichtigste Tipp ist, sich zu vergegenwärtigen, was man im Gespräch eigentlich herausfinden möchte. Geht es darum, viel über die Persönlichkeit der Bewerbenden herauszufinden, sollte das Gespräch offen geführt werden und weniger im Frage-Antwort-Muster. 

Es ist außerdem eine gute Idee, Kandidat:innen schon im Gespräch Feedback mitzugeben. Ist das Gespräch nämlich erst einmal vorbei, kann man es nicht wiederholen. Daher sind empathische Sätze aus einer subjektiven Perspektive hilfreich wie  „Ich habe noch nicht das Gefühl, dich als Mensch kennengelernt zu haben.“. Personaler:innen geben ihrem Gegenüber so die Sicherheit, dass es okay ist, aus sich herauszugehen. 

Eine große Hilfestellung für eine solche Gesprächsführung ist der Verzicht auf Standardfragen wie „Wo siehst Du Dich in fünf Jahren?” Diese erzeugen meist nur klischéehafte Zielbeschreibungen. Stattdessen sind Fragen nach Werten und Erwartungen zielführend. Aufrichtiges Interesse an der anderen Person ist wichtig, denn BewerberInnen spüren, ob echte Neugier vorliegt – oder nur Checklisten abgehakt werden sollen. 

Fazit: Eine angenehme Atmosphäre legt den Grundstein für eine positive Candidate Experience

Nur wer sich wohlfühlt, kann ein realistisches Bild der eigenen Persönlichkeit vermitteln, einen Eindruck des Arbeitsumfeldes bekommen und Mut fassen, wichtige Fragen zu stellen. Im besten Fall entsteht so ein langfristiges und harmonisches Arbeitsverhältnis, zumindest aber eine positive Verknüpfung mit Ihrer Employer Brand. 

Die gute Nachricht: Mit wenigen Handgriffen lassen sich optimale Rahmenbedingungen für eine positive Candidate Experience schaffen. Ein gemütlicher Raum, nicht zu viele Gesprächsteilnehmer:innen und ein freundlicher Ton sind ein guter Anfang. Darüber hinaus hilft es, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen und Interesse an der Person zu zeigen. Denn: Abschlüsse und Berufserfahrung stehen bereits im Lebenslauf. Im Gesprächsfluss ergeben sich schnell wichtige Erkenntnisse darüber, ob der/die Kandidat:In in Ihr Unternehmen passt und umgekehrt. Davon profitieren beide Seiten.

---------------------

Über Markus Küppers 

Markus Küppers ist Emotionsforscher und geschäftsführender Partner der Marktforschungsagentur september Strategie & Forschung. Aktuell forscht er u.a. zu den psychologischen Effekten der Corona-Pandemie für die Generation Z.

Markus Küppers Emotionsforscher