HomepageDas Gen Z LabWarum Soft Skills mehr Bedeutung im Recruiting haben sollten: Interview mit Jeremy Lamri

Warum Soft Skills mehr Bedeutung im Recruiting haben sollten: Interview mit Jeremy Lamri

  • Donnerstag, 5. August 2021
  • Svenja Rausch

Die Bedeutung von Soft Skills wird insbesondere im Recruiting häufig unterschätzt. Dabei sind diese Skills ausschlaggebend für die Problemlösungsfähigkeit eines Menschen und damit bedeutend für den Arbeitsalltag.

Basketballkorb vor blauem Himmel

Die Bedeutung von Soft Skills wird insbesondere im Recruiting häufig unterschätzt. Dabei sind diese Skills ausschlaggebend für die Problemlösungsfähigkeit eines Menschen und damit bedeutend für den Arbeitsalltag. Im Interview erklärt Jeremy Lamri, unser Director of Innovation, Research & Future Development, warum Soft Skills mehr Relevanz im Bewerbungsprozess haben sollten und wie Personaler:innen diese im Bewerbungsgespräch identifizieren können. 

Lieber Jeremy, schön, dass du Zeit gefunden hast, uns etwas tiefer in dein Fachgebiet zu einzuführen.

Jeremy: Natürlich, sehr gern! 

Um alle abzuholen braucht es zunächst eine gemeinsame Basis. Was genau sind Soft Skills überhaupt?

Jeremy: Es gibt zwar keinen wissenschaftlich einheitlichen Rahmen für das Konzept “Soft Skills”. Halten wir uns aber an die Definition der OECD, gibt es vier Hauptkompetenzen eines Menschen. Diese kann man sich besonders gut unter dem Stichwort der vier “K’s” merken. Das sind:

  • Kreativität
  • Kritisches Denken
  • Kommunikation
  • Kollaboration

Diese vier Skills definieren die Kernkompetenzen, die ein Mensch im 21. Jahrhundert besitzen sollte. Kreativität befähigt einen Menschen dazu, neue und effektive Wege zu gehen, um ein Problem zu lösen. Der Skill des kritischen Denkens ermöglicht es Menschen, im richtigen Moment den passenden Gedanken zu finden sowie Dinge zu hinterfragen. Und Kommunikation und Kollaboration sind essentiell für die Zusammenarbeit mit anderen Menschen.

Vielen Dank! Das war sehr hilfreich. Aber wofür genau sind Soft Skills wichtig?

Jeremy: Um die Bedeutung der Soft Skills zu verstehen, muss man sich vor allem eines klar machen: Die Lösung für ein sich stellendes Problem kann nie im Vorfeld bekannt sein, sonst wäre es keines. Deswegen muss der Mensch Kompetenzen zur Lösung dieses Problems besitzen. Routineaufgaben, über deren Lösung bzw. Erfüllung man nicht nachdenken muss, werden immer mehr maschinell erledigt werden. So bleiben nur noch die Aufgaben übrig, für die man ein menschliches Gehirn benötigt. Diese Problemlösekompetenzen gewinnen daher in Zukunft immer mehr an Bedeutung. Auch im Recruiting, um Stellenausschreibungen mit der richtigen Person zu besetzen. 

Auf den Arbeitsmarkt strömen zunehmend gut ausgebildete Nachwuchskräfte der Generation Z und viele der Bewerber:innen werden die formalen Ansprüche eines Unternehmens erfüllen. Oft machen Soft Skills aber den entscheidenden Unterschied für das perfekte soziale Match zwischen Unternehmen und Bewerber:in. Haben diese nämlich die passenden Soft Skills, können sie damit maßgeblich zu einem positiven Arbeitsklima und damit auch zum Unternehmenserfolg beitragen. Denn das Arbeitsklima hat einen maßgeblichen Einfluss auf Faktoren wie die Teamproduktivität.

Klingt logisch, das eröffnet noch einmal ganz neue Perspektiven für den Bewerbungsprozess. Was meinst du, wie sollten Arbeitgeber vorgehen, um Bewerber:innen mit den richtigen Soft Skills zu erreichen?

Jeremy: Damit beide Seiten dasselbe Verständnis eines Skills haben, ist es seitens eines Unternehmens sinnvoll, die von ihnen gesuchten Soft Skills exakt zu definieren. So können sich Bewerber:innen leichter in dieser Matrix verorten und auch besser entscheiden, ob sie für eine Stelle geeignet sind. Denn wenn Bewerber:innen aussagen, dass sie kreativ sind, könnte dies eine ganz andere Kreativität meinen als jene, die das Unternehmen darunter versteht. Quasi ein Wörterbuch für Soft Skills. Wenn uns die Definition eines Wortes fehlt, dann werfen wir einen Blick ins Wörterbuch. Genau so sollte es auch mit Soft Skills beim jeweiligen Unternehmen ablaufen. 

Hast du noch einen Rat, den du Rekrutierenden im Bezug auf Soft Skills mitgeben möchtest?

Jeremy: Ich denke es ist wichtig, dass Rekrutierende im Hinterkopf behalten, dass ihre Ansprüche bei der Rekrutierung junger Menschen nicht ausschließlich die professionelle Arbeitserfahrung sein kann. Denn wie sollen junge Talente entsprechende Erfahrungen sammeln, wenn diese bereits überall verlangt werden?

Die eigenen Tore bei der Stellenbesetzung nur für jene zu öffnen, die bereits Arbeitserfahrung gesammelt haben, ist wie als Türsteher*in eines Clubs zu sagen: “So angezogen darfst du nicht eintreten”. Als natürliche Reaktion würde man fragen: “Wie muss ich mich denn anziehen, damit ich herein kann?” Nur um dann die Antwort zu erhalten: “Das musst du dir drinnen anschauen”. Rekrutierende müssen ihren Bewerber*innen die Möglichkeit geben, einen Blick hinter die “Clubtür” zu werfen. 

Soft Skills bieten hier eine Bewertungsgrundlage für Fähigkeiten, die die Bewerber:innen zwar nicht im Arbeits-, dafür jedoch im Privatleben entwickelt haben. Etwa Konfliktlösefähigkeiten, da die Person bereits bei Streitigkeiten in der Familie vermittelt hat. Oder aktives Zuhören, weil die Freunde immer gerne zu der Person mit ihren Problemen kommen und über alles reden können. Alles wichtige Fähigkeiten für den Berufsalltag, die nirgendwo attestiert werden können. Ich möchte Rekrutierende daher dazu ermutigen, sich aus ihrer Komfortzone zu wagen und jungen Talenten einen Vertrauensvorsprung zu geben, die vielleicht noch nicht viele Arbeitserfahrungen gesammelt haben. Aber dafür ausgeprägte Soft Skills mitbringen. 

Vielen Dank, Jeremy!

Fazit

Für uns ergibt sich aus dem Gespräch mit Jeremy vor allem eines: Hard Skills allein sollten nicht mehr ausschlaggebend bei der Wahl der richtigen Mitarbeiter*innen sein. In einer häufig so gut mit Hard Skills ausgestatteten Generation, wie der Generation Z, haben diese Art von Fähigkeiten viele Bewerber:innen. Soft Skills dagegen liefern oft den entscheidenden Unterschied. Sie definieren, ob Bewerber:innen wirklich ein “Match” für das Unternehmen sind. Sie definieren aber auch die Problemlösungsfähigkeit eines Menschen. Und Lösungen zu finden, das hat uns besonders die Pandemie gelehrt, ist im 21. Jahrhundert eine unerlässliche Fähigkeit.