Stress vor dem Vorstellungsgespräch: Erhöht er deine Erfolgschancen?
Endlich ist es so weit: Du hast ein Vorstellungsgespräch für den Job in Aussicht, den du dir schon lange erträumt hast. Eine tolle Neuigkeit! Doch je näher der Termin für das Vorstellungsgespräch rückt, desto mehr holt dich der Stress ein und du merkst, wie deine Nervosität steigt. Die Symptome ähneln denen, die du erlebst, wenn du unerwartet deinen Crush auf der Straße triffst (oder das neueste Paar Designerschuhe im Schaufenster siehst, wer weiß, wo deine Leidenschaften liegen): Du kriegst Herzklopfen, deine Handflächen werden feucht, der Mund wird trocken – das volle Programm. Nervosität kann eine echte Plage sein, doch diese Art von Stress muss nicht bedeuten, dass dein Bewerbungsgespräch schief laufen wird. Ganz im Gegenteil: Du hast vermutlich sogar bessere Erfolgschancen als ohne ihn. Das Geheimnis besteht darin, den Stress als Antrieb zu nutzen. Wo kommt der Stress also her und wie kannst du ihn zu einem Verbündeten machen? Wir zeigen dir, wie es geht.
24. April 2023 · 1 min Lesezeit

Woher kommt der Stress beim Vorstellungsgespräch?
Betrachten wir das Ganze erst einmal völlig entspannt: Stress ist völlig normal, ja, sogar natürlich. Der Stress ist eine Reaktion unseres Organismus, genauer gesagt eine nervliche Anspannung in Situationen, die uns beunruhigen oder die wir nicht beherrschen. Wenn ein ungewöhnliches Ereignis eintritt, verliert der präfrontale Cortex, der sonst im „Autopilot“ funktioniert, den Faden. Der Organismus wird in Alarmbereitschaft versetzt und die Hormone Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet, was zu den bekannten körperlichen Reaktionen wie Zittern, Schwitzen oder erhöhtem Herzschlag führt. Diese Reaktionen haben jedoch auch einen positiven Nutzen, den wir nicht unterschätzen dürfen: Sie dienen der Anpassung! Sie sind dazu da, unserem Körper das Handeln zu ermöglichen, und zwar in Form von Flucht oder Kampf.
Ein Vorstellungsgespräch ist ein gutes Beispiel für eine ungewöhnliche Situation, bei der genug auf dem Spiel steht, dass diese Stressreaktion ausgelöst wird. Es weckt unsere Angst davor, beurteilt zu werden – eine Angst, die oft auf die Kindheit und mehr oder weniger traumatische Bewertungssituationen zurückgeht.
Die Dosis macht das Gift
Stress ist also nicht unbedingt negativ, ganz im Gegenteil. Es gibt sogar positiven Stress, der auch Eustress genannt wird: Er bezeichnet den natürlich erzeugten Druck, mit dem unser Körper auf neue Reize reagiert. Diese kleinen Stressreize zwingen Körper und Geist, sich anzupassen, was unsere Fähigkeiten verbessert und dafür sorgt, dass wir aufmerksamer sind und besser aktiv werden können. Bei einem Vorstellungsgespräch verleiht uns dieser Adrenalinschub neue Energie, Kreativität und Enthusiasmus und lässt uns überzeugender wirken. Er hilft uns, Fangfragen souveräner zu beantworten und deutlich schneller gute Antworten zu finden. Du siehst: Ein bisschen Stress kann ein eindeutiger Vorteil sein!
Wie bei so vielem macht auch hier die Dosis das Gift: Ein zu hoher Stresspegel hindert uns genauso daran, unsere Ressourcen wirkungsvoll zu nutzen, wie die gänzliche Abwesenheit von Stress. In unserer Leistungsgesellschaft haben wir gelernt, starke Emotionen als Hindernis zu betrachten. Stattdessen sollten wir den Stress als weitere Zeile in unserem Lebenslauf sehen: Er beweist unsere Anpassungsfähigkeit und emotionale Intelligenz. Kurz gesagt: Er unterstützt dich perfekt dabei, dich bei einem Interview auf deine Gesprächspartner:innen einzustellen.
So kannst du den Stress positiv für dich nutzen
Eine Harvard-Studie zeigt auf: Wenn wir unsere Wahrnehmung ändern und körperliche Stresssignale als nützliche Elemente begreifen, die uns auf das Handeln vorbereiten, verbessert sich unsere Leistung bei stressigen Aufgaben. Doch das ist nicht der einzige Vorteil: Die Testpersonen waren gleichzeitig weniger nervös, empfanden weniger psychischen Stress und hatten mehr Selbstvertrauen. Ihre physiologische Reaktion ähnelte sogar Freude und Mut.
Um das zu erreichen, müssen wir ändern, wie wir Stress wahrnehmen, und seine physiologischen Auswirkungen mit etwas Positivem verbinden. Ich fange an zu schwitzen? Ich werde rot? Meine Stimme zittert? Mein Herz schlägt schneller? Das bedeutet, dass mein Körper mir eine Botschaft sendet: Ich stelle mich gerade einer Herausforderung und mein Körper bereitet sich vor wie ein Boxer vor einem Kampf. Athlet:innen versuchen nicht, diesem Zustand zu entfliehen, sondern sehen ihm positiv entgegen, damit er sie nicht überrascht und sie mehr über ihn lernen können. Beim Boxer geschieht dies vermutlich in der Vorbereitungsphase, während er in der Garderobe ist, und genau das wird ihn davor bewahren, im Angesicht seines Gegners oder Ziels die Fassung zu verlieren. Je weniger wir versuchen, diese Zeichen von Nervosität zu unterdrücken, desto besser können sie ihre eigentliche Funktion erfüllen und uns helfen, die Herausforderung erfolgreich zu meistern.
Das gelingt uns, wenn wir ein perfektes Gleichgewicht finden und auf der Welle des Adrenalin-Boosts surfen, ohne uns von ihr überfluten zu lassen. Oft hilft es, uns auf unsere Atmung zu konzentrieren, damit wir möglichst ruhig bleiben. Indem wir uns aufrecht hinsetzen, unsere Beine aufstellen und „in den Bauch“ atmen, können wir uns leichter entspannen und unsere Angst kontrollieren. Und natürlich hilft es auch, dich schlicht und einfach gut vorzubereiten, damit du weniger nervös ins Vorstellungsgespräch gehen kannst.
Technologie als Mittel gegen Stress? Die schlechte gute Idee
Eine 2020 durchgeführte Studie des Beratungsunternehmens Mercer zeigte, dass mehr als 55 % der Personalverantwortlichen in den USA prädiktive Algorithmen nutzen. Auch Vorstellungsgespräche sind nicht vor dieser neuen Realität der Algorithmen gefeit, wie man bereits daran sieht, wie viele Unternehmen Softwaretools wie Breezy, iMocha oder Workable einführen. Das Prinzip: Es findet kein herkömmliches Vorstellungsgespräch statt, sondern die Bewerber:innen beantworten per Video Fragen am eigenen Computer. Anschließend werden die Videos an das Unternehmen gesendet und von Algorithmen analysiert.
Vielleicht denkst du jetzt, dass ein solches nicht in Echtzeit stattfindendes Video-Bewerbungsgespräch hilft, die Nervosität in Schach zu halten, doch es hat auch Nachteile: Wenn die direkte Verbindung zwischen Personalverantwortlichen und Bewerber:innen wegfällt, geht damit auch der zwischenmenschliche Kontakt verloren. Das passt mit einer weiteren aktuellen Entwicklung nicht wirklich gut zusammen: 75 % der Personalverantwortlichen betrachten Softskills als neue Kompetenzen, die für die individuelle und kollektive Leistung unverzichtbar sind. Ob es nun um Anpassungsfähigkeit, Teamgeist, Gründlichkeit oder Unternehmergeist geht: Die Technologie ist noch nicht so weit, diese wichtigen Softskills in einem Videointerview zu erkennen. Und wir bei JobTeaser sind ohnehin überzeugt davon, dass es sich lohnt, einen Schweißausbruch in Kauf zu nehmen und dafür die Gelegenheit zu haben, die Recruiter:innen bei einem persönlichen Gespräch positiv zu überraschen. Also: Sei optimistisch, dass dein Stress dir helfen wird, und mach dich auf den Weg!
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