Ein Plädoyer für Selfleadership: Lisa Hipp über die Stärkung der nächsten Generation
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- Mittwoch, 15. Oktober 2025
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Der Prozess beginnt immer mit Selbsterkenntnis: Wer bin ich? Was treibt mich an? Wo will ich hin? Unternehmen können diesen Weg aktiv begleiten. Lisa Hipp Leadership-Expertin und Gründerin, Working Bliss

Wie können Unternehmen die nächste Generation von Talenten nicht nur gewinnen, sondern auch wirklich fördern? In ihrem neuen Buch Working Bliss beschreibt Karriere- und Leadership-Expertin Lisa Hipp, wie die neue Generation ihren Platz in der komplexen Arbeitswelt von heute finden kann.
Im Interview spricht sie über die größten Herausforderungen junger Talente, die Bedeutung von Mentoring und Selbstführung – und darüber, wie HR und Führungskräfte echte Entwicklungschancen schaffen können, ohne sich hinter leeren Purpose-Floskeln zu verstecken.
Du hast mit „Working Bliss" einen Karriereleitfaden für die Gen Z geschrieben. Was sind aus deiner Sicht die größten Hürden, denen junge Talente bei der beruflichen Orientierung heute begegnen? Und was sollten Unternehmen darüber wissen, bevor sie Programme für junge Talente entwickeln?
Die größte Herausforderung ist heute sicherlich die enorme Vielfalt an Möglichkeiten und die daraus resultierende Entscheidungsüberforderung. Junge Talente wachsen in einer Welt auf, die scheinbar unbegrenzte Optionen bietet. Gleichzeitig schüren soziale Medien oft völlig überhöhte Erwartungen an Erfolg und Selbstverwirklichung - und das mitten in einer Welt voll wachsender Unsicherheit und Komplexität.
Unternehmen sollten das ernst nehmen. Es braucht Talentprogramme, die mehr bieten als klassische Schulungen oder vermeintlich attraktive Benefits. Was heute zählt, ist echte Orientierung verbunden mit der Möglichkeit, verschiedene Wege auszuprobieren. Dafür braucht es Mentoring, Feedback und Räume zur Reflexion.
Und es geht auch darum, junge Mitarbeitende aktiv einzubeziehen. Viele von ihnen stellen heute viel mehr Fragen, und das nicht, weil sie unbequem sein wollen, sondern weil sie verstehen warum sie etwas tun. Wer das als Chance begreift, kann sie nicht nur besser fördern, sondern auch langfristig binden.
Viele Unternehmen wünschen sich, dass Nachwuchskräfte „Self-Leadership Skills“ entwickeln. Aber wie kann man das konkret fördern, gerade bei Berufseinsteigenden, die sich oft noch unsicher sind, was sie wirklich wollen?
Self-Leadership ist heute kein „Nice-to-have“ mehr sondern die Grundlage für nachhaltige Leistung und Eigenverantwortung. Aber gerade Berufseinsteiger:innen brauchen dafür Unterstützung und Orientierung.
Der Prozess beginnt immer mit Selbsterkenntnis: Wer bin ich? Was treibt mich an? Wo will ich hin? Unternehmen können diesen Weg aktiv begleiten - zum Beispiel mit gezielten Workshops, Coachings oder Mentoring-Formaten, in denen Talente ihre Werte, Stärken und Entwicklungsfelder erkunden.
Wichtig ist auch der Raum für offene Gespräche über Ziele, Erwartungen und Herausforderungen. Und: Es muss erlaubt sein, Dinge auszuprobieren und dabei auch mal zu scheitern. Formate wie Mentoring, Peer-Coaching oder persönliche Entwicklungspläne können dabei helfen, Self-Leadership nicht nur zu fordern, sondern konkret zu fördern.
In deinem Buch sprichst du auch über das Bedürfnis der Gen Z nach Sinn und Persönlichkeitsentwicklung. Wie können HR-Teams dieses Bedürfnis im Arbeitsalltag aufgreifen – ohne dabei in Purpose-Floskeln zu verfallen?
Das Bedürfnis nach Sinn ist real, aber es bedeutet nicht, dass alle die Welt retten wollen. Es geht darum, dass die eigene Arbeit einen Beitrag leistet, der sich mit den persönlichen Werten deckt.
HR-Teams können hier viel bewegen, indem sie individuelle Entwicklung ermöglichen und echte Gespräche fördern. Fragen wie: „Was motiviert dich wirklich?“ oder „Worin willst du dich entwickeln?“ sollten regelmäßig Raum bekommen, und zwar nicht nur im Bewerbungsgespräch.
Ich plädiere für sogenannte „Stay-Interviews“ - also Gespräche mitten im Arbeitsverhältnis, nicht erst am Ende. Damit lässt sich früh erkennen, was Menschen brauchen, um langfristig zufrieden und leistungsfähig zu bleiben.
Und Persönlichkeitsentwicklung darf kein leeres Buzzword sein. Wer Persönlichkeitsentwicklung fördert, muss auch bereit sein, Führung neu zu denken. Dazu gehört eine klare Kommunikation darüber, wie einzelne Aufgaben auf das große Ganze einzahlen und die Bereitschaft, echte Mitgestaltung zuzulassen. Persönlichkeitsentwicklung funktioniert dann, wenn Menschen ihre Arbeit im Kontext ihrer eigenen Ziele reflektieren und Gestaltungsspielräume bekommen.
Welche Rolle spielen Führungskräfte deiner Meinung nach in der Entwicklung von Klarheit, Motivation und persönlicher wie beruflicher Orientierung bei jungen Mitarbeitenden? Was sollten junge Menschen dabei von ihrer Führung erwarten dürfen?
Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle als Begleiter:innen, Impulsgeber:innen und Vorbilder. Sie sind heute weniger die „Ansager:innen“ von früher, sondern schaffen Rahmenbedingungen, in denen Eigenverantwortung wachsen kann.
Wichtig ist, dass sie Erwartungen klar kommunizieren und gleichzeitig Mut machen, eigene Wege zu gehen. Junge Mitarbeitende wünschen sich regelmäßiges, ehrliches Feedback und einen vertrauensvollen Raum, in dem auch Unsicherheiten und Fragen Platz haben dürfen.
Führung sollte heute menschlich sein: nahbar, offen und bereit zur Reflexion. Wer das ernst nimmt, kann junge Talente in ihrer Orientierung unterstützen ohne sie zu überfordern oder zu kontrollieren.
Wenn du einem Unternehmen nur eine einzige Maßnahme empfehlen dürftest, um junge Talente in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu stärken - welche wäre das und warum?
Meine Empfehlung wäre ganz klar: ein gut strukturiertes Mentoring-Programm mit erfahrenen, gut geschulten Teammitgliedern und einem Fokus auf Self-Leadership.
Warum? Ein gut geschulter Mentor oder Mentorin stärkt die Selbstwirksamkeit und eben auch die Selfleadership-Skills von jüngeren Teammitgliedern, fördert die Persönlichkeitsentwicklung und hilft jungen Talenten, ihre beruflichen Vorstellungen klarer zu definieren und umzusetzen.
Vor allem aber wirkt Mentoring nachhaltig: Es verankert Wissen, stärkt Bindung und trägt zur Entwicklung einer starken, generationenübergreifenden Unternehmenskultur bei. Es ist einer der wirksamsten Hebel, wenn es darum geht, junge Talente nicht nur zu gewinnen sondern auch zu halten.